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Unfall im Radrennen: Wie du den Schaden ersetzt bekommst, wenn es im Eifer des Gefechts knallt!

by Daniel

Kennt jeder: Der letzte Kilometer bei einem Radrennen. Ab jetzt wird es wild, vogelwild. Ellenbogen raus, Kopf runter, gib ihm. Aber, aber…was passiert eigentlich, wenn im Eifer des Gefechts, Unfälle bei Radrennen entstehen? Bleibt der Betroffene auf dem Schaden sitzen oder kann der Verursacher zur Verantwortung gezogen werden – oder etwa der Veranstalter? Hendrik Burbach gibt uns im zweiten Teil seiner Rechtsberatung nützliche Tipps.

Unfall im Radrennen„Dieses Geräusch von Carbonrahmen, die bei hoher Geschwindigkeit in Innsbruck auf die Straße knallten – das brannte sich mir richtig ein!“

Einige von euch werden meine Aussage vom Achensee Radmarathon in ähnlicher Form sicherlich kennen, das Gefühl und vor allem auch das Geräusch, wenn es im Feld so richtig scheppert.

Meist merkt man es erst wenige Augenblicke bevor es passiert, ein Sturz ist dann meist schon unvermeidlich, aus der Nummer kommst du selten raus (siehe Hanno Rieping Artikel).

Gerade im Gedränge des Feldes, in der allgemeinen Anspannung und bei den horrenden Geschwindigkeiten, kann ein leichter Kontakt zu folgenschweren Unfällen führen. Dabei sind schnell erhebliche Schäden am teuren Rennsetup entstanden – schwere Verletzungen sind dabei nicht selten. Die Folgen eines solchen Rennunfalls können also immens sein, und in der Vielzahl der Fälle bleibt der Betroffene auf den entstandenen Kosten sitzen.

Nicht so doll.

Allerdings besteht unter Umständen die Möglichkeit, die im Rennen entstandenen Schäden von dem verursachenden Rennfahrer ersetzt zu bekommen. Aber klar, dies ist wesentlich komplexer und in der Praxis noch schwieriger durchzusetzen als bei Unfällen im Straßenverkehr.

Wie die Rechtslage im Detail ist und was ihr tun könnt, wenn euch im Rennen ein solcher Unfall passiert ist, erklärt uns im zweiten Teil (zum ersten Teil) der Rechtsberatung der Sportrechtler aus Köln: Hendrik Burbach.

Unfälle bei Radrennen: Haftung, Fahrlässigkeit & Co.

Hendrik, muss ein anderer Rennteilnehmer für einen von ihm verursachten Sturz haften?
Das kommt wie immer ganz darauf an, wie der Sturz verursacht wird. Entgegen der Maßgaben für die Haftung bei Straßenverkehrsunfällen genügt es bei Rennen nämlich nicht, wenn der Sturz von dem Kollegen allein fahrlässig verursacht worden ist.

Was muss also gegeben sein?
Der Bundesgerichtshof (BGH) und die obersten Gerichte legen im Allgemeinen bei Haftungsfragen im Rahmen von Sportwettkämpfen den Maßstab des regelwidrigen Verhaltens an. Diese Grundsätze hat der BGH vornehmlich anhand des Fußballs entwickelt.

Hier gilt, dass eine Haftung erst dann begründet wird, wenn ein grob regelwidriges Verhalten vorliegt. Dabei wurde festgestellt, dass keine Haftung besteht, auch wenn eine schwere Verletzung auf einem Foul beruhte. Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht dabei erst dann, wenn es sich um ein grob regelwidriges, also zumeist mit der Roten Karte bestraftes, Foulspiel handelt (zum Beispiel die sog. „Blutgrätsche“).

Was bedeutet das für den Radsport? Blutgrätschen gibt es in der Form ja nicht…
Auf den Radsport übertragen, könnte man sich hierunter beispielsweise einen Sprint vorstellen, bei dem ein Konkurrent bewusst in die Absperrung gedrängt wird, um das Rennen zu gewinnen. Die Gerichte gehen davon aus, dass man mit Rennantritt in eine mögliche Verletzung der eigenen Rechtsgüter durch eine sportspezifische Handlung einwilligt.

Für solche Unfälle, die nicht auf einem Regelverstoß beruhen, besteht demnach auch dann kein Anspruch auf Ersatz der entstandenen Schäden, wenn der Sturz auf einer Unaufmerksamkeit des anderen Rennfahrers beruht. So könnte man keinen Schadensersatz verlangen, wenn in der Hitze des Rennens ein Rennteilnehmer im Feld einen anderen touchiert und zu Fall bringt. Diese Grundsätze werden übrigens auch auf das „Windschattenfahren“ in der Gruppe im Rahmen eines gemeinsamen Trainings angewendet. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Teilnehmer eines Trainings in eine mögliche Rechtsgutverletzung einwilligen, die aus der spezifischen Gefahr resultiert, die dem engen Hintereinanderfahren innewohnt.

Was bedeutet regelwidriges Verhalten konkret?
Das bedeutet konkret, dass nur bei aus Regelverstößen resultierenden Unfällen ein Haftungsanspruch besteht. Was genau unter einem Regelverstoß zu verstehen ist, hat der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in den Wettkampfbestimmungen für den Straßenrennsport festgelegt. Die Vorschrift 7.5 (1) Satz 1 der Wettkampfbestimmungen für den Straßenrennsport regelt, dass kein Rennfahrer einen Mitbewerber am Vorbeifahren oder an der Entfaltung der vollen Geschwindigkeit hindern darf. Satz 2 verbietet das Abdrängen, Auflegen, Abschieben oder Abziehen zum Zwecke des persönlichen oder gegenseitigen Vorteils oder sonstige Behinderungen wie plötzliches Abstoppen oder Verlassen der Fahrlinie während oder im Auslauf des Rennens ohne zwingende Notwendigkeit.

An diesem Maßstab ist das Verhalten der Rennfahrer im Rennen zu messen und im Falle eines Unfalls die Beurteilung eines regelwidrigen Verhaltens vorzunehmen. Allerdings sind diese Begriffe relativ allgemein gehalten, so dass ein großer Beurteilungsspielraum besteht.

Gibt es auch konkrete Regelungen für das Verhalten im Sprint?
Die Wettkampfbestimmungen für den Straßenrennsport geben in 7.5 (2) Satz 1 eine genaue Verhaltensweise für den Sprint vor. Demnach haben die Rennfahrer ihre Fahrlinie konsequent einzuhalten. Nach Satz 2 ist eine Veränderung der Linie nur dann zulässig, wenn zu den nachfolgenden Fahrern ein Abstand von etwa einer Radlänge besteht und diese Fahrer dadurch nicht gefährdet, behindert oder benachteiligt werden.

Diese Vorgaben sind für die Praxis extrem wichtig, da gerade in hektischen Sprints eindeutig sein muss, wann sich ein Fahrer regelwidrig verhält. Fährt ein Sprinter eine Welle, wird nicht nur bei den Profis, sondern hinab bis in den Amateurbereich gern leidenschaftlich darüber diskutiert, ob dieses Verhalten nun noch im Rahmen des Erlaubten oder schon regelwidrig gewesen ist.

Besonders hitzig wurde vergangenes Jahr über die Sprintankunft der vierten Etappe der Tour de France diskutiert, als Peter Sagan mit Mark Cavendish kollidierte und letzterer mit schweren Verletzungen die Rundfahrt verlassen musste. Der Weltmeister wurde anschließend aufgrund seines vermeintlich grob regelwidrigen Verhaltens von der Tour ausgeschlossen.
Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie schwierig letztendlich die genaue Beurteilung eines regelkonformen oder regelwidrigen Sprints ist. Aufgrund der horrenden Geschwindigkeiten sind die Schäden bei Stürzen an Mensch und Material gravierend. Ja, dieser Vorfall war sicherlich etwas Besonderes.

Der amtierende Weltmeister soll in der Sprintankunft den Briten durch das Ausfahren der Ellenbogen derart heftig in die Absperrgitter gestoßen haben, dass dieser mit schweren Verletzungen die Rundfahrt verlassen musste. Die Renn-Jury schloss daraufhin den bereits in den vergangenen Austragungen der Tour mehrfach verwarnten Sagan von der weiteren Rundfahrt aus.

In der Aktion von Sagan sahen die Rennrichter einen groben Verstoß gegen das Regelwerk, verkannten dabei aber, dass von Sagans Team BORA-hansgrohe angeführte Argument, dass Sagan zunächst von Cavendish von hinten gerammt worden sei und nur durch das Ausfahren der Ellenbogen seinerseits nur einen Sturz verhindern konnte.

Auch der Tagessieger Arnaud Démare rückte im Nachgang in die Kritik, da dieser seine Linie im Sprint nicht gehalten haben soll, sondern von rechts in die Straßenmitte fuhr und dabei den Drittplatzierten Nacer Bouhanni erheblich behinderte. Dieser Vorgang wurde allerdings nicht von der Jury untersucht, obgleich nach den Fernsehbildern ein Regelverstoß offensichtlich erschien.

Zusammenfassend lässt sich aber anhand der sog. „Todsünden des Sprints“, nämlich Ellenbogenstöße, absichtliche Wellen oder gar Kopfstöße, ein grober Richtwert für die Beurteilung festlegen. Dabei verläuft die Grenze zwischen zulässigem und grob regelwidrigem Verhalten nicht stringent, sondern ist stark einzelfallabhängig und wird häufig unterschiedlich beurteilt.

Wie ist es, wenn ich beim Vorbeifahren versehentlich einen Kollegen berühre und dieser dadurch zu Fall kommt?
Das ist in der Praxis wohl ein sehr häufiger Grund für Unfälle. In der Vergangenheit wurde teilweise argumentiert, dass bereits ein zu geringer Abstand beim Überholen eines Kollegen im Rennen grob regelwidrig sei. Diese Ansicht wurde aber mittlerweile revidiert. Rein praktisch erscheint dies auch nachvollziehbar, denn bei dem allgemeinen Gedränge im Feld während eines Rennens ist es praktisch nicht möglich, einen ausreichenden Abstand zu den Kollegen zu halten.

Video: Unfall beim Velorace Dresden 2017

Der Unfall ereignet sich bei exakt 1:00 Minute

Gibt es hierzu vielleicht Präzedenzfälle?
In der Schweiz ist zu dieser Frage derzeit ein strafrechtlicher Prozess anhängig. Hierbei wird zwar nicht die Frage einer Haftung geklärt, sondern nur über eine möglicherweise strafrechtlich relevante Tat entschieden. Konkret hat ein Rennfahrer bei einem Amateurrennen beim Überholen in einer kleinen Gruppe auf einer Abfahrt einen Kollegen derart unglücklich touchiert, dass dieser sowie drei weitere Rennfahrer zu Fall kamen. Einer der Gestürzten prallte derart unglücklich mit dem Kopf gegen einen Baum, dass er wenig später seinen schweren Verletzungen erlag.

Eine anschließende Begutachtung ergab, dass der Fahrer die Mitstreiter mit einem Abstand von 30 cm bei etwa 70 km/h überholte. In erster Instanz wurde er der fahrlässigen Tötung sowie der mehrfachen fahrlässigen Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten auf Bewährung verurteilt. Die zweite Instanz hob diese Entscheidung allerdings auf und sprach den Unfallverursacher frei.

Das Instanzgericht ging davon aus, dass der Angeklagte nicht sorgfaltswidrig gehandelt habe. Außerdem müsse man bei einem Radrennen damit rechnen, dass ein derartiger Unfall passiere, auch wenn man die Folgen des Unfalls nicht überblicken könne.

Gibt es weitere Ausnahmen, wann keine Ansprüche bestehen?
Die Rechtsprechung lehnt eine Haftung für Schäden aus Sportereignissen dann ab, wenn für den verursachenden Teilnehmer kein Versicherungsschutz besteht und die Schäden nicht auf einer grob regelwidrigen Handlung resultieren. Dies ist, zumindest für den Lizenzradsport, nicht einschlägig, da stets ein Versicherungsschutz über die von den Landesverbänden abgeschlossene Sportversicherung besteht. Dies könnte allerdings im Rahmen von Jedermann-Veranstaltungen äußerst relevant werden, da bei diesen die Vereinsmitgliedschaft gerade nicht zwingende Voraussetzung ist. Im Hinblick auf die neu eingeführte Tageslizenz besteht diese Problematik ebenfalls nicht. Die Tageslizenz beinhaltet nicht nur das Startrecht, sondern gewährt dem Lizenznehmer überdies auch für den konkreten Wettkampf einen umfassenden Versicherungsschutz.

Hinsichtlich der Jedermannrennen bleibt also zukünftig abzuwarten, ob sich die an den bestehenden Versicherungsschutz anknüpfende Rechtsprechung vor der gewandelten Ausgangslage halten wird. Schließlich hinge es bei einem Sturz letztlich dann vom Zufall ab, ob man durch einen versicherten Mitstreiter oder einen nicht direkt über die Vereinsmitgliedschaft, möglicherweise aber anderweitig versicherten Rennteilnehmer zu Fall gebracht wird.

Wie ist denn nun die Rechtslage, wenn ein Unfall absichtlich verursacht worden ist? Ich denke da gerade an den Eklat zwischen Sébastian Reichenbach und Gianni Moscon vergangene Saison?
Verursacht ein Fahrer absichtlich einen Unfall, könnte er neben Regressforderungen des gestürzten Fahrers auch mit möglichen Forderungen dessen Teams oder der Sponsoren dieses Teams konfrontiert werden. Diese Konstellation ist allerdings eher im Profibereich denkbar. Denn hier hat der Ausfall eines Fahrers teils erhebliche Konsequenzen auf die Rennplanung des Teams, die Sponsorenreichweite sowie die gesamte Kaderplanung für eine Saison.

In der abgelaufenen Saison 2017 hat ein Zwischenfall bei dem italienischen Eintagesrennen Tre Valli Varesine für Schlagzeilen gesorgt. Dort stürzte der Schweizer Sébastian Reichenbach (FDJ) schwer und brach sich Ellenbogen und Hüfte. Im Nachgang erhob er und sein Team schwere Vorwürfe gegen den Italiener Gianni Moscon (Team Sky). Dieser sollte den Schweizer absichtlich zu Fall gebracht haben. Reichenbach, der mehrere Monate ausfallen wird, hat bereits juristische Schritte gegen Moscon eingeleitet, seine französische Équipe kündigte ebenfalls juristische Schritte gegen den Italiener an.

Merke: Insgesamt ist bei von anderen Rennteilnehmern verursachten Unfällen ein Anspruch erst dann gegeben, wenn der andere Rennteilnehmer grob regelwidrig, das bedeutet im Widerspruch zu den in den Wettkampfbestimmungen für den Straßenrennsport festgelegten Verhaltensweisen handelt, also beispielsweise absichtlich eine Welle fährt, einen anderen bewusst von der Straße drängt oder gar handgreiflich wird.

Wie ist es, wenn ein Unfall auf einem Ereignis beruht, das in die Sphäre des Rennveranstalters fällt?
In vielen denkbaren Konstellationen ist es auch möglich, dass der Rennveranstalter als Schuldner für Schadensersatzansprüche in Betracht kommt. Das könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein Sturz auf einer fehlerhaften Absperrung beruht.

Ausrichtende Vereine eines Lizenzrennens benötigen für die Veranstaltung des Rennens eine Lizenz des Verbandes. Hierin ist auch der Abschluss einer Haftpflichtversicherung zwingend vorgeschrieben, durch welche sowohl alle gegenüber dem Verein als auch alle gegenüber dem Verband geltend zu machende Schäden umfasst sein müssen. Gerade für die Vereine ist eine derartige Versicherung äußerst wichtig, da, sofern das Vereinsvermögen im Falle einer Haftung nicht ausreicht, der Vorstand persönlich für den entstandenen Schaden haftet.

Lässt sich dies auch auf Jedermannrennen oder Radmarathons übertragen?
Nein, dies lässt sich so pauschal nicht sagen. Bei Jedermannrennen sind zumeist private Gesellschaften die Veranstalter des Rennens, die natürlich auch ein wirtschaftliches Interesse mit der Ausrichtung verfolgen. Dabei wird eine Haftung für Schäden aus Stürzen meistens im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) beschränkt.

Ausgeschlossen werden häufig generell alle Sachschäden. Eine Schadensersatzpflicht besteht nach den AGB der meisten Veranstalter nur für vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachte Schäden an Leib oder Leben der Teilnehmer. In der Praxis schwer zu differenzieren ist die Interpretation des Merkmals „grob fahrlässig“ im Vergleich zu leichter Fahrlässigkeit. Ob beispielsweise eine falsche Absperrung, ein unaufmerksamer Streckenposten oder eine mangelhafte Sicherung eines Hindernisses auf der Straße leicht oder schon grob fahrlässig ist, hängt wohl letztlich, wie so oft, vom Einzelfall ab.

Die AGB der Veranstalter werden im Falle eines Prozesses von den Gerichten genau betrachtet im Rahmen einer allgemeinen AGB-Kontrolle. Hierbei dürfen vor allem keine Regelungen in den AGB getroffen werden, welche den Teilnehmern Rechte verwehren, die das Gesetz ihnen an sich zuspricht. Mithin bedeutet praktisch die bloße Existenz eines Haftungsausschluss in den AGB nicht, dass die Veranstalter nicht doch haften müssen.

Haftet ein Rennveranstalter denn für Stürze, die auf Straßenschäden beruhen?
Das hängt immer vom konkreten Einzelfall ab. Voraussetzung für eine Haftung wäre, dass der Veranstalter seine Sorgfaltspflicht zur Gewährleistung einer renntauglichen Strecke vernachlässigt hat. Gerade auf langen Distanzen wie bei Jedermannrennen oder bei Radmarathons wird sich diese in der Regel nur auf offensichtliche Straßenschäden beziehen, die bei einer Streckenbegehung aufgefallen sein müssten und mit den entsprechenden Sicherungsmaßnahmen beseitigt worden wären.

In der Vergangenheit kam es auch vermehrt zu schweren Stürzen, die von Zuschauern verursacht wurden. So sorgen Zuschauer, die bei einem Kriterium unvorsichtig die Straße überqueren, für viele brenzlige Situationen, aber auch im Profibereich hat es in der Vergangenheit vermehrt teils rennentscheidende Stürze gegeben, die auf achtlose Zuschauer zurückzuführen sind. Wie sieht es in diesem Fällen mit der Haftung aus?
Bei diesem Thema fällt uns ja allen Peter Sagan bei der Flandernrundfahrt 2017 ein, der 17 km vor dem Ziel am Oude Kwaremont an einer Jacke hängen blieb, Greg van Avermaet und Oliver Naesen mit zu Boden riss und somit für das Trio jedwede Siegchance dahin war.

Ebenfalls wohl unvergessen bleib in diesem Zusammenhang Guiseppe Guerini, der 1999 ca. 800 Meter vor dem Ziel in L’Alpe d’Huez in Führung liegend von einem fotografierenden Zuschauer vom Rad geholt worden war. Hinsichtlich möglicher Ansprüche der gestürzten Fahrer bzw. deren Teams muss zunächst differenziert werden zwischen dem entstandenen Sach- und Personenschaden und den möglicherweise entgangenen Siegprämien.

Am Beispiel des Trios um Peter Sagan wäre hier eine Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs aufgrund der entgangenen Prämien eher schwierig. Zum Zeitpunkt des Sturzes war Philippe Gilbert bereits deutlich in Führung, so dass ein Beweis für einen Sieg am Ende nur schwer zu erbringen wäre. Dies wäre im Fall Guerini sicherlich einfacher gewesen, da die Distanz zum Ziel recht kurz und der Vorsprung doch komfortabel war. Im Hinblick auf die weiteren Schadenspositionen wäre eine Durchsetzung allerdings schon möglich. Maßgeblich ist letztlich, ob den verursachenden Zuschauer ein Verschulden trifft. Dies ist bereits dann der Fall, wenn er fahrlässig handelt, beispielsweise indem er seine Jacke über die Absperrung hängt oder in einer unübersichtlichen Stelle auf die Straße läuft.

Kann es denn auch sein, dass Rennfahrer für Zusammenstöße mit Zuschauern haften müssen?
Dies ist natürlich auch denkbar. Beispielweise dann, wenn man aufgrund einer Unachtsamkeit von der Straße abkommt und in eine Zuschauermenge fährt. Allerdings ist dann auch immer zu überlegen, ob die Zuschauer nicht mit einem derartigen Zwischenfall rechnen mussten, als sich sie nahe an der Strecke positionierten.

Der Fall bei der TDF 2017: Peter Sagan vs. Mark Cavendish

Oben haben wir ja schon den Fall, Peter Sagan bei der Tour 2017, angesprochen. Dieser hatte noch weitreichende Folgen nach sich gezogen. Kannst du uns dies noch abschließend kurz erläutern?
Dieser Zwischenfall war aus rechtlicher Perspektive besonders spannend. Das Verfahren des Team BORA-hansgrohe gegen den Ausschluss Peter Sagans von der Tour de France 2017 ist jüngst erst vor dem höchsten Sportgerichtshof (CAS) beendet worden. Gegen den Ausschluss des Weltmeisters hatte dessen Team zunächst Eilrechtsschutz vor dem CAS eingelegt, der aber umgehend die Entscheidung der Jury bestätigte. Diese war allerdings sowohl unter den Sportlern als auch juristisch äußerst umstritten. Sagan bewegte sich mit seinem Verhalten in einer Grauzone, eine Klassifizierung als grob regelwidrig überzeugte nicht wirklich. Zum einen sah er Cavendish von hinten nicht kommen, zum anderen war es gerade der Brite, der zunächst den Weltmeister touchierte.

Das Team BORA-hansgrohe einigte sich mit dem CAS zur Beilegung des Verfahrens auf die Feststellung, dass der Sagans Ausschluss falsch war. Gleichzeitig verzichtete das deutsche Team auf die Geltendmachung möglicher Schadensersatzansprüche. Diese Einigung ist insbesondere für den Tour-Veranstalter ASO sowie für den CAS besonders von Bedeutung, da das Team BORA-hansgrohe anderenfalls, also im Falle eines die Rechtswidrigkeit des Ausschlusses feststellenden Urteils, Ansprüche in nicht unerheblicher Höhe gegen die Veranstalter erheben könnte. Ein Schaden läge dann beispielsweise in entgangenen Prämien, möglichen Etappensiege durch Peter Sagan sowie die verpasste Titelverteidigung in der Sprintwertung. Weiterhin wäre sicher auch über einen entgangenen Werbeeffekt nachzudenken, der dann von den Hauptsponsoren geltend zu machen wäre.

Über Hendrik Burbach:
– Jahrgang 1990
– Wohnort: Bonn
– Beruf: Rechtsreferendar
– Verein: RSC Rheinbach/Peloton Stabilus Team 

(!) Weitere Lesetipps:
– 14 Verkehrsregeln, die jeder Rennradfahrer kennen sollte (Link)
– Teil 1 mit Hendrik: 12 Dinge, die man einem Fahrradunfall beachten muss (Link)

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