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Robert Petzold über seinen Höhenmeterweltrekord-Versuch, Doping bei den Radmarathons
und seine 3 gefürchtetsten Anstiege!

by Daniel

Die Zahlen sprechen für sich: 60 kg leicht, 175 cm groß und 330 Watt stark: Robert Petzold ist, was man gemeinhin ein „Bergfloh“ nennt. Kein Wunder also, dass der junge Dresdner zu einem der stärksten Bergfahrer im Jedermannbereich gehört. Nach dem Doppelgewinn des knüppelharten „Race Across the Alps“ in 2015 und 2016 möchte der 27-jährige Sachse Ende Juli noch einen drauflegen: Der 24-Stunden-Höhenmeter-Weltrekord. Es gilt mindestens 21.068 Höhenmeter zu knacken: Kein Schlaf, kein Geheule, stattdessen immer und immer wieder den Berg hoch – und das schlappe 143 mal eine 1,5 km lange Rampe mit 10% Steigung im Schnitt. Wer ist dieser Kerl? Was treibt ihn an – und die wichtigste Frage überhaupt: Warum tut er sich diesen Wahnsinn an?

Robert Petzold

(c) Foto: Arno Burgi

Elbspitze mit über 10.000 Höhenmetern, Race Across the Alps mit knapp 14.000 Höhenmetern oder der Endura Alpen-Traum mit gut 6.000 Höhenmetern ­ – eigentlich könnte man meinen, es wäre Zeit einen Haken hinter diese extremen Radmarathons zu setzen. Aber nicht für Robert Petzold, er strebt den Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde an. Im Interview sprechen wir über sein Wahnsinns-Projekt Ende Juli, seine Motivation für diese Extremdinger sowie seine klare Anti-Doping-Haltung, bei der Robert, wie ich finde, eine sehr löbliche Einstellung hat.

Robert Petzold über seinen Angriff auf den 24h-Höhenmeter-Weltrekord

Die erste Frage, die sich mir stellt, lautet: „Hast Du sie noch alle?“ Warum tust Du dir so etwas an?
Ganz gewöhnlich bin ich sicher nicht, aber ich denke meine Sinne funktionieren trotz der vielen Radkilometer noch recht gut und ich führe ein sehr bewusstes Leben. Wenn man sich selber eingesteht, etwas anders zu ticken als die breite Masse – das hat viel damit zu tun, sich selbst so zu akzeptieren wie man eben ist –, dann kommt man ganz gut aus. Jeder Mensch hat besondere Stärken und Schwächen. Ich glaube es ist wichtig sich auf seine Stärken zu konzentrieren und die liegen bei mir aus sportlicher Sicht in der Langstrecke und im Bergfahren. Verbunden mit einer riesigen Portion Spaß am Radfahren und dem Gefühl von Freiheit, was man in körperlichen Grenzsituationen erfährt, stell ich mir auch eher selten die Frage nach dem Warum.

Was reizt Dich an diesen extremen Dingern?
Mit 19 Jahren kaufte ich mir mein erstes Rennrad. Mit einem Schlag hat sich viel in meinem Leben geändert: Gefühlt war mein Leben vorher eher langweilig. Plötzlich hatte ich eine Tätigkeit, die mir wirklich vom ersten Meter an Spaß bereitet hat – und mich erfüllte. Erst zwei Monate saß ich auf meinem Rennrad und schon fuhr ich die erste 300-km-Tour. Einfach nur für mich. Aus Freude und Neugier möglichst schöne und neue Landschaften entdecken. Das ganze gepaart mit dem Reiz des Rennrades, mit eigener Körperkraft möglichst effizient weite Strecken zu überwinden. Das empfinde ich immer noch als etwas sehr beeindruckendes. Nach gut einem Jahr wurden Strecken von bis zu 300 km für mich aus körperlicher Sicht zur Routine. Man macht es, weil man es eben kann.

Im dritten Rennradjahr absolvierte ich meine erste Elbspitze, ein Ultramarathon von Dresden in die Alpen, den ein paar gute Freunde von mir organisieren. Meist über 700 km und mehr als 10.000 hm müssen da in gut 30 Stunden bezwungen werden. Das war eine neue Dimension für mich. Während der Elbspitze realisierte ich erstmalig, wie extrem der ganze Mist ist, den man sich da antut. Die Nacht und die Müdigkeit waren der Horror – es kostete sehr viel mentale Energie. In den letzten Jahren wurde das aber besser. Ich trainiere mittlerweile recht systematisch und konsequent. Dadurch konnte ich meine körperliche Leistungsfähigkeit noch um einiges steigern. Man mag es kaum glauben, aber dadurch fährt man bei allen Strapazen, die ein Ultramarathon bietet, auch öfter mal im Wohlfühlbereich und leidet etwas weniger, als es noch vor 4 oder 5 Jahren der Fall war. Ein bis zweimal im Jahr kann man sich solchen Tortouren schon aussetzen, ohne in eine Schiene abzudriften, die ich als zu extrem bezeichnen würde.

Was machst Du im Wettkampf, wenn das kleine Männchen kommt und Dich fragt, was Du da eigentlich machst?
Dann denke ich daran, dass ich mich glücklicherweise auf der Sonnenseite dieser Welt befinde, weil ich das machen darf, wofür ich brenne. Dafür bin ich dankbar und genieße entsprechend das Radfahren. Es gibt soviel Elend überall, dagegen sind die Strapazen im Wettkampf nicht der Rede wert. Freilich, es gibt immer Momente der Schwäche, die kann man aber gut überstehen. Erst recht mit einem Ziel vor Augen.

Robert Petzold

(c) Foto: Arno Burgi

Wolltest Du als Kind/junger Kerl schon ins Guinessbuch der Rekorde? Woher rührt dieser Trieb?
Ich spreche offen darüber: Es gibt für mich keinen intrinsischen Grund im „ach so besonderen“ Guinnessbuch zu stehen. Für mich ist das Guinnessbuch Mittel zum Zweck. Es geht um mediale Präsenz, wenn ich mittelfristig im Sport meinen Lebensunterhalt verdienen möchte. Das ist ein Ziel von mir. Ein Weltrekord kommt im Lebenslauf immer gut. Das klingt jetzt kühl berechnend und das ist auch nur die eine Seite der Medaille. Der Weltrekord von Christoph Fuhrbach, ob er mit einem Guinnesbucheintrag verbunden ist oder nicht, ist für mich einfach eine sehr große sportliche Herausforderung – das ist die andere Seite der Medaille. Die Leistung zu erbringen, die für den Rekord nötig ist, scheint mir möglich und doch schwebt eine große Unsicherheit mit. Das ist ein sehr spannendes Projekt für mich, das ich konsequent verfolge. Eine Aufgabe, die mich aktuell zu einem sehr erfüllten Menschen macht. Vor allem wenn ich sehe, welche Unterstützung ich von vielen Seite erfahre. Das ist einfach schön!

Ich kann nicht verstehen, dass man sich als sauberer Spitzenfahrer im Jedermann- oder Radmarathonbereich nicht verarscht vorkommt, wenn Mitstreiter mehr oder weniger offensichtlich betrügen.

Besonders löblich finde ich Deine klare Anti-Doping-Stellung: Ist das etwas, das Du bei den gängigen Jedermann-Rennen vermisst?
Ich weiß gar nicht, ob ich klare Anti-Doping-Bekenntnisse so sehr vermisse. Sicher auch. Ich vermisse aber in erster Linie Ehrlichkeit. Die Scheinheiligkeit ist leider sehr groß im Sport und das ist sicher der Aspekt, der mich am meisten ärgert. Von vielen schnellen Fahrern im Marathonbereich würde ich mir natürlich ein klares Bekenntnis gegen Doping wünschen. Mich wundert es selber, dass dies von vielen Seiten nicht kommt und dann fragt man sich schon, warum das nicht passiert. Ob es nur an Verpflichtungen gegenüber von Sponsoren liegt, keine negatives Wort über den Radsport zu verlieren oder doch andere Gründe hat? Ich kann nicht verstehen, dass man sich als sauberer Spitzenfahrer im Jedermann- oder Radmarathon-Bereich nicht verarscht vorkommt, wenn Mitstreiter mehr oder weniger offensichtlich betrügen. Ich habe mit vielen Leuten in der Radmarathonszene geschrieben, auch sehr kritische Fragen gestellt, mir reichlich Meinungen eingeholt. Keiner sagt einem offen, er nimmt was. Manche machen Andeutungen. Es ist und bleibt ein Tabuthema.

Selber darf man natürlich auch niemanden in aller Öffentlichkeit des Dopings bezichtigen, solange kein Beweis erbracht ist. Von daher kann ich nur meine kritische Meinung zu dem Thema vertreten und von mir sprechen: Ich behaupte offen von mir, jegliche Form von Doping abzulehnen. Im Wettkampf, Training und im Alltag – verzichte an 360 Tagen im Jahr sogar auf Kaffee und Koffein. In sportlichen Ausnahmefällen nehme ich koffeinhaltige Lebensmittel wie Cola oder Schwarztee zu mir. Dann aber nur in moderaten Mengen. Nahrungsergänzungsmittel nutze ich außer Maltodextrin, was bei Langstrecken zum Einsatz kommt, gar keine.

Ich will darauf hinaus, dass Doping, wenn man es als Form künstlicher Leistungssteigerung definiert und nicht auf die von WADA/NADA künstlich festgelegte Dopingliste beschränkt, auch ein sehr großen Bereich umfasst und letztlich schon bei jeder Form von Materialwettrüsten anfängt: Thema soziale Ungerechtigkeit. Der eine kann sich ein 5-kg-Rennrad leisten und hat damit am Berg einen Vorteil gegenüber demjenigen, dessen Budget nur für ein 9-kg-Rad reicht. Das Dilemma der per se ungerechten Leistungsgesellschaft. Ich finde, dem Punkt sollte man Beachtung schenken und darüber lohnt es sich zu diskutieren. Es geht um Fairness.

Würdest Du es begrüßen, wenn in der Spitze der Jedermänner Tests durchgeführt würden? Oder was wäre Dein Vorschlag?
Definitiv wären Dopingkontrollen ein Zeichen für den sauberen Sport, auch wenn mir klar ist, dass dort nur die dümmsten erwischt werden. Etwas Abschreckung ist es dennoch und der Sport würde ein kleines bisschen fairer werden.

Ich hab auch nicht die die Patentlösung für einen sauberen und fairen Sport. Man sollte das Thema offensiv angehen und diskutieren. Fragen stellen. Warum wird betrogen? Im Hobbysport und im Profisport. Es geht meist um Anerkennung, das Ego will befriedigt werden und je professioneller die Strukturen werden, natürlich auch um Geld. Hier müsste man das Problem an der Wurzel packen, aber ich will mich da nicht als Weltverbesserer aufspielen. Schwieriges Thema!

Was können die Zuschauer in Holzhau erwarten? Wie schaut die „Party“ dort aus? Einheizen wird ja kein Geringerer als Othmar Peer.
Richtig, ich freue mich riesig, dass mir Othmar Peer angeboten hat, das Event im Erzgebirge zu moderieren. Ich bin selber gespannt, wie die Party wird. „Holzhau geht steil“, lautet das Motto. Wir werden auf jeden Fall ein attraktives Radsportfest veranstalten. Am 30. Juli gibt es ein Bergzeitfahren für Jedermann. Dort kann sich jeder an dem Anstieg probieren. Gewinnen werden nicht nur die schnellsten, sondern auch der- oder diejenige mit dem originellstem Fahrrad am Start. Das verspricht lustig zu werden.

Es gibt natürlich noch ein DJ am Abend mit Livemusik – das bringt gute Stimmung. Zelte werden auch aufgebaut, so dass wir für jedes Wetter gerüstet sind. Für Speis und Trank ist sowieso gesorgt, und an der ein oder anderen Überraschung wird sicher noch gebastelt.

Robert Petzold

(c) Foto: Arno Burgi

Wovor hast Du am 30.7.16 am meisten Angst: Regen, der harten Steigung oder dass Du es nicht schaffst?
Am meisten Respekt habe ich vor den äußeren Bedingungen. Regen wäre ungünstig, ebenso Gegenwind im Anstieg. Wenn die Wettervorhersage gut ist, wird die Anspannung um ein vielfaches sinken. Schlechte Bedingungen kosten einfach Höhenmeter, die am Ende entscheidend sein können. Angst habe ich keine, im Gegenteil: Ich freue mich auf sehr intensive 24 Stunden mit vielen Freunden und Zuschauern an der Strecke und lade jeden Interessierten ein, mal in Holzhau vorbei zu schauen.

Schlechte Bedingungen kosten einfach Höhenmeter…

Du bist einige Berge gefahren. Welche drei Anstiege waren die brutalsten?
Da denke ich als erstes an einen Anstieg im tschechischen Riesengebirge. Der geht von Rokytnice hinauf zur Dvoracky. 517 hm mit über 16% im Schnitt. Weit über 20% Spitzensteigung und Asphalt, der so grob ist, dass da gar nichts mehr rollt. Der ist richtig fies, aber ich mag sowas. Wenn man solche Anstiege im Riesengebirge öfter mal fährt, wird der Mortirolo beim RATA fast zum Rollerberg. Ansonsten erinnere ich mich an eine meiner Gepäcktouren in den Alpen zurück. Der Große Sankt Bernhard ab Aosta: Elend lange 34 km mit 1900 hm. Da leierte ich 3,5 Stunden lang nach oben. Kopf ausschalten und treten war dort angesagt. Im oberen Bereich wird man zum Glück mit schönem Panorama belohnt. Als dritten muss ich unbedingt den Colle dei Morti nennen. Der liegt im Piemont. Von Demonte aus hat man 1700 hm auf 24 km. Definitiv HC. Eine echte Rampensau und ein richtig rassiger italienischer Alpenpass. Einsame Passstraße, grandiose Landschaft und viele Murmeltiere.

Eine „geile“ Idee wäre auch noch gewesen, mit einem anderen Fahrer zusammen/parallel im gleichen Tempo dieses Wagnis zu bestreiten. Mal gucken, wer als erstes vom Rad fällt…
Ich bin ganz froh drüber, dass ich für mich fahren kann und Freunde habe, die mich berghoch begleiten, mental unterstützen und nicht noch fertig machen. Der Weltrekordversuch ist eine spezielle Sache und unterscheidet sich von Bergmarathons. Ich muss mich und die Zeit im Blick haben und nicht aktiv gegen andere fahren. Wirklich, jeder Höhenmeter zählt! Spannend und nervenaufreibend wird es so schon genug. Das wird eine absolute Grenzerfahrung für Körper und Geist.

(c) Foto: Arno Burgi

(c) Foto: Arno Burgi

Abschlussfrage: Wie sieht der SOLL vs. IST-Vergleich für deine Vorbereitung aus? Zuversichtlich, dass Du es packst?
Mit der Form kann ich sehr zufrieden sein. Ich habe dieses Jahr 13.000 km in den Beinen und fühl mich nach dem RATA wieder gut erholt. Die FTP liegt bei etwa 330 Watt. Die ist aber gar nicht mal so entscheidend für den Weltrekord, da ich dort eh nur im Grundlagenbereich fahre und das Endergebnis sehr von der Energiezufuhr abhängt. Je mehr Energie ich aufnehmen kann, desto mehr Arbeit kann ich verrichten. An der Ernährungsstrategie gibt es nach dem RATA, wo ich mich mehrmals übergeben musste, noch ein wenig zu basteln. Aber zumindest der Kopf ist gut eingestellt. Ich glaube zu wissen, was mich erwartet und habe verschiedene Szenarien im Kopf durchgespielt. Das ist wichtig.

Ich habe dieses Jahr 13.000 km in den Beinen und fühl mich nach dem RATA wieder gut erholt. Die FTP liegt bei etwa 330 Watt.

Auch wenn es etwas freakig ist, ich steh derzeit bei 60-61 kg bei 175 cm Körpergröße. Ein paar Gramm könnten schon noch runter bis zum 30. Juli. Aber da mache ich mich auch nicht verrückt. Ich vertraue auf meine Stärken.

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