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Perfektes Teamwork: Wie man beim Arlberg Giro zusammen einen richtig guten Tag haben kann!

by Daniel

André ist angefixt. Auf Radfahren. Mentor Bastian Marks hat dem Radsportneuling vor gut drei Monaten unter seine Fittiche genommen und ihm neben strukturiertem Training die Grundregeln, die Rules, des Rennradfahrens beigebracht. Ende Juli waren die beiden beim Arlberg Giro in St. Anton: 2.500 hm auf 150 km. Andrès erste richtige Bewährungsprobe. Wie würde er sich schlagen?

Arlberg Giro 2017

Riders in Black: André (li.) und Fonsi

Von Bastian Marks a.k.a. Fonsi a.k.a. Fonsi Kwiatkowski…

Wir sind wirklich unterwegs. Unglaublich!

Ich habe mich echt sehr gefreut auf das Wochenende in St. Anton, weil es wie ein kleiner Urlaub in eine stressige Zeit fällt.

Ich sitze mit André im Auto. An einem Freitagnachmittag. Wir werden erst gegen Mitternacht ankommen und wir sind beide aufgeregt. Am Sonntag starten wir beim Arlberg Giro. Für André wird es die größte Tour seiner noch jungen Laufbahn auf zwei Rädern, sein erstes Mal im Gebirge – und für uns beide eine Reise ins Ungewisse.

Wegen der Strecke bin ich nicht aufgeregt. Ich bin schon oft im Hochgebirge Rad gefahren: Bei Ultras wie Frankfurt – Rom (1.350 km in vier Tagen) und Frankfurt – Nizza (1.100 km in drei Tagen) auch schon ü300er Etappen mit langen Pässen absolviert.

Aber ich bin jetzt irgendwie verantwortlich für jemand. Und ich möchte, dass er Spaß hat. Dass die Strecke am Arlberg mit 150 km und 2500 hm nicht so klingt, als wäre sie nur was für die absolut krass trainiertesten Freaks, war ein Grund dieses, zugegeben sehr ambitionierte Unternehmen zu starten.

Aber nachdem ich André die letzten drei Monate in seinem Training begleitet hatte und seine Motivation dadurch hautnah verfolgte, bekam ich Vertrauen, dass der Arlberg Giro ein tolles erstes Highlight für ihn sein könnte.

Wir sind beide sehr gespannt, ob meine Intuition stimmt!

Ankunft in St. Anton am Arlberg

Arlberg Giro 2017

Chillen im Spa vom Hotel „Schwarzer Adler“

Wir erreichen St. Anton in der Nacht und fahren mit dem Arlberg Pass den ersten Anstieg des Rennens in den Ort hinunter. André bekommt einen ersten Eindruck, was ihn hier erwarten wird. Er fängt an, mir scherzhaft ein schlechtes Gewissen zu machen, was ich ihm hier eingebrockt hätte. Aber man weiß: In jedem Scherz, steckt ein Quäntchen Wahrheit.

Unser Hotel ist der „Schwarze Adler“ und ab jetzt beginnt unser Kurzurlaub. Ein tolles Haus. Wir bekommen ein schönes großes Zimmer, fassen den Plan, an unserem freien Samstag das Spa zu besuchen und eine Massage zu buchen und fallen nach einem kleinen gute-Nacht-Bierchen ins Bett.

Am Samstagmorgen empfängt uns strahlender Sonnenschein und ein reichhaltiges Frühstück. André begrüßt meine Renn- und Trainingslagertradition, direkt nach dem Frühstück nochmal ein Schläfchen einzulegen und wir starten gegen Mittag zu unserer Vorbelastung: Das Arlbergtal hinab, das wir morgen die letzten 22 km vor dem Ziel wieder hoch fahren werden.

Andrés Zweifel werden weniger.

Maximal 220 Watt am Arlbergpass

Arlberg Giro 2017Arlberg Giro 2017

Er fühlt sich gut, genießt die Landschaft und wir stricken einen Schlachtplan für den Sonntag, für den Tag des Radmarathons: Bergan vergleichen wir unsere Powermeterdaten, damit ich weiß, wie viel ich treten darf, ohne ihn in Bedrängnis zu bringen.

Also, am ersten Pass zurückhalten. Versuchen, unter 220 Watt zu bleiben. Das lange erste Tal 30 km bergab werde ich von vorne fahren. Die 40 km bergauf zur Silvretta Höhenstraße, von denen die letzten 15 steil sein werden, werden der Gegner des Tages, denn danach geht es wieder 45 km bergab. Fonsis Job. Vorne im Wind.

Ich hoffe insgeheim, dass ich André so pacen kann, dass er auf den letzten, leicht ansteigenden 22 Kilometern nach St. Anton noch etwas im Tank hat und nicht schon völlig grau ist. 22 km können, wie wir alle wissen, ein halbe Ewigkeit dauernd.

Lustiger weise hab ich auch was für mich zu tun. Ich habe zurzeit mal wieder einen Trainingsberater und meine Aufträge für diesen Radmarathon sind: Vorbelastung mit alle 12 min. Standing-Start 53/14 All Out. Und beim Arlberg Giro soll ich am langen Anstieg (Bieler Höhe) mit Kraft fahren, also eine extrem niedrige Trittfrequenz. Also, ein extrem hoher Gang.

Den Abend lassen wir nach einem Saunabesuch und unserer Massage früh ausklingen. Das Essen im schwarzen Adler ist hervorragend und die Bergluft macht uns Städter sowieso kaputt.

Start beim Arlberg Giro um 6 Uhr

Arlberg Giro 2017

Bieler Höhe beim Arlberg Giro

Start beim Arlberg Giro ist um 6! Uhr, um den Verkehr im Tal nicht den ganzen Tag zu blockieren. Es gibt dort ja nun mal nur eine Straße.

4:45 Wecker!

Nicht meine Zeit. Gaaaaar nicht!

Na gut. Was willste machen…?

Irgendwie in die Buchse steigen, die vorbereiteten Räder in die Lobby schieben und viiiiel Kaffee inhalieren. Viel Kaffee. Viel!

Man kümmert sich prima. Natürlich musste das Frühstück extra vorverlegt werden für die ca. 10-15 Teilnehmer, die hier im Hotel untergekommen sind.

Der Start im Ort ist quasi direkt vor der Tür. Wir finden unseren Startblock und ich stimme André nochmal drauf ein, es am Anfang easy anzugehen. Es wird ab Kilometer Zwei für knapp 7 km stramm aufwärts (ø 7% Steigung) gehen.

Motto: Rein kommen und Kräfte sparen. Danach geht’s erst los.

Startschuss für uns!

Im dritten von vier Blöcken wird entspannt aus dem Ort gerollt. Für mich ist das grandios. Kein Stress. Endlich mal. Im ersten Startblock geht es sonst immer gleich mit Knallgas los: Position fahren, keine Fehler machen, Anfangsoffensive überstehen.

Heute nicht.

Jetzt ruhig raus aus dem Ort und entspannt in den Berg rein. Wie erwartet, werden wir mit Andrés angesagten 200-220 Watt direkt in massiver personeller Stärke überholt. Ich halte die Leistung und beschwichtige. „Die kommen schon wieder.“ In der Mitte des Anstieges beginnt es doch recht erstzunehmend zu regnen und ich hoffe stark, dass es, wie so oft in den Alpen, im nächsten Tal schon wieder anders aussieht.

Mein Plan geht auf.

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Wir überqueren den Arlbergpass und gehen in die Abfahrt. André fühlt sich gut, sein Puls blieb im Anstieg niedrig und nun geht’s ins gefürchtete Bergabfahren. Hat er ja auch noch nie so richtig gemacht. Nachdem ich im ersten Kilometer schon gut Vorsprung herausgerollt habe und denke, Mist, das wird ein Waiting Game auf der noch nassen Straße, ist er plötzlich da und nimmt die Kurven mit Selbstvertrauen.

Hier wieder ein Kompliment an die Veranstaltung und ihren Charakter, auch für normale Hobbyfahrer geeignet zu sein: Die beiden Abfahrten sind sehr schön zu fahren. Gute Straßen, keine gefährlichen Kurven und früh lange Geradeausstrecken.

Nun beginnt mein Domestikenjob!

Tempomat auf 40-50 km/h

Arlberg Giro 2017Ich setze mich vor André, schlage 220-240 Watt bergab an und wir bügeln das Tal für die nächste 30 km hinunter. Immer 40-50 km/h. Ich fahre andere Gruppen auf, André hält mit Leichtigkeit mein Hinterrad und meine Gruppe vergrößert sich bis auf 30 Fahrer.

Als wir in den langen Anstieg einbiegen, knallt uns der Wind entgegen. Es geht leicht bergan und ich bleibe weiter im Wind. An kurzen Steilstücken überholen uns alle. Ich habe André aber schon erklärt, dass das passiert und wie prognostiziert überholen wir später alle wieder, wenn ich in den Flachstücken die Leistung halte.

Später dazu mehr.

Nicht aus der Ruhe bringen lassen. André ist relaxed. Wir kommen zur ersten Verpflegung, versorgen uns. Danach wird’s steil, danach wird’s geil.

Jetzt richtig. Ich kann nicht mehr helfen, da muss er jetzt alleine durch.

Aber ich habe ja auch noch ein ToDo. Ich schalte aufs große Blatt und gehe selbst in einen sehr unangenehmen Modus. Mein Training lautet ja, per Kraft hier hochzufahren. Niedrige Kadenz. Hoher Gang. Viel Schmerz.

Wir haben Fun! Wir lachen, genießen die saugeile Landschaft und das mittlerweile wunderschöne Wetter. Und klar, jetzt geht’s so langsam in den Suffer-Mode für meinen Schützling. Und für mich.

Muss ja. Loooos. treten, haha.

Ich trete jetzt auch richtig und ja, ich kann bestätigen: Man kann einen Alpenpass auch auf dem großen Blatt fahren. Kompaktkurbel? Wozu?

Die Leute hier denken sicher, ich sei völlig bescheuert. Naja.

Die letzten 3 km fahren wir wieder zusammen und André ist am Limit, was zu erwarten war und auch dazu gehört. Er ist trotzdem gut drauf und oben gibt’s wieder ne Verpflegung und nachher ne lange Abfahrt.

Fun Fact: Andrés Garmin wird nachher einen neuen besten FTP-20-min-Test anzeigen (ü 260 Watt), nur erzielt, damit er nicht umkippt im Steilen. Hahaha.

Mit Fonsi Kwiatkowski zurück nach St. Anton

Arlberg Giro 2017

Schlussanstieg nach St. Anton: Feuer frei!

Auf der Biehler Höhe nehmen wir uns Zeit, verpflegen uns richtig. Auch ich merke die Belastung. Tut weh, gehört aber dazu. Wir starten wieder in die Abfahrt durchs Paznauental. Fonsi Kwiatkowski übernimmt für André Froome.

Da ich mich schnell wieder fit fühle, ballere ich für die nächste Stunde mit 45-55 km/h an der Spitze unserer kleinen Gruppe bergab. Die anderen freuen sich, ich mich auch. André spart Kräfte fürs Finale und ich habe ein gutes Workout. Die letzten gut 22 km haben wir samstags besichtigt und André beginnt jetzt tatsächlich etwas zuzulegen. Er sagt trotzdem, er wolle erst 10 km vor dem Ende richtig reinhauen.

Wir sammeln Fahrer ein. Falsch. Nicht mehr ich, sondern er.

Hammer. André. Als hätte ich das Drehbuch schreiben dürfen: André. Hammer!

Teilweise muss ich echt kurz richtig drauftreten, wenn er beschleunigt. André ist angefixt, er ist heiß. 11 km vorm Ziel überholt uns ein Fahrer fulminant. André weiß aber genau, wenn es gleich flacher wird, wird er ihn wieder kassieren. Ich beobachte das Spiel mit einem zufriedenen Grinsen.

That’s my Boy!

Es wird flach und dieser Freak beschleunigt tatsächlich auf ü40 km/h. Wir fliegen an unserem letzten „Gegner“ vorbei und knallen in die Fußgängerzone von St. Anton.

Den Zielsprint mache ich nicht mehr mit. André hat uns in unfassbarer Geschwindigkeit bei meiner Zieldurchfahrt bereits zwei Radler organisiert!!

Haha. Was ein Tag.

Ich glaube wir sind happy.

Abzüglich der Verpflegungen haben wir einen glatten 25er Schnitt auf der Uhr, was grandios für jemanden ist, der erst seit drei Monaten Rennrad fährt.

6 Stunden im Sattel. Sau guad!!!

Großes Lob an die Organisation

Abschließend möchte ich nochmal erwähnen, dass ich gar nicht wusste, dass es Alpenveranstaltungen in diesem Modus gibt. Ich kannte nur Radmarathons, die für Leute sind, die unheimlich viel trainieren und die einem alles abverlangen.

Klar kann man den Arlberg Giro auch auf Anschlag fahren und sich in diesem Rennen komplett exekutieren mit Aussicht auf eine gute Platzierung, aber Radfahren geht eben auch um Freundschaft. Darum, es gemeinsam zu machen. Und hier kann man gemeinsam an den Start gehen mit Fahrern, die Spaß am Sport haben, fit sind, aber keine 10.000 km im Jahr fahren. Oder sich im Gebirge ausprobieren mit toller Organisation.

Hut ab, geiles Ding.

So, genug gequasselt. Auf zu neuen Abenteuern.

Ciao, vielleicht bis bald!

Fonsi

Interessante Links:
– Bastian Marks @ Instagram (Link)
– Bastian Marks mit 36er Schnitt beim Canyon 300 k Night Ride (Link)
– mein Arlberg Giro 2016 (Link)
– Übersicht der Leistungsdiagnostik & Bikefitting Institute (Link)

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