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Faszination L’Alpe d’Huez: Kai Miebach beschreibt, warum und wo man in der Region überall hin muss!

by Daniel

Mont Ventoux, Galibier, Tourmalet – und natürlich L’Alpe d’Huez. Beim Klang dieser Namen läuft jedem Rennradfahrer unter 100 kg das Wasser im Mund zusammen. Es sind die epischen Anstiege der Tour de France, es sind die richtig dicken Dinger. Im nächsten Jahr ist es mal wieder soweit, der Tourtross macht im kleinen Skiörtchen, ca. 170 km südöstlich von Lyon, seinen Halt. Warum es sich empfiehlt, ein paar Tage vorher anzureisen und dieses fantastische Revier selbst im Rennradurlaub zu erschließen, beschreibt top GCC-Fahrer Kai Miebach vom Team Strassacker.

Galibier Anstieg

In Nachbarschaft: Auffahrt zum Galibier

Von Kai Miebach

L’Alpe d’Huez – ein Mythos.

Kein Wunder, dass dieser Berg bei vielen Radfahrern ganz weit oben auf der To-Do-Liste steht, ähnlich wie der Mont Ventoux zieht dieser Anstieg jeden Sommer unzählige Radfahrer in seinen Bann – 21 Serpentinen voller Schmerzen und Radsportgeschichte.

Aber nicht nur L’Alpe d’Huez, es befinden sich noch weitere Hochkaräter der Tour de France in unmittelbarer Nähe.

Beispiele gefällig?

Les Deux Alpes, eine beliebte Bergankunft auf 1650m, die für Jan Ullrich 1998 zum Verhängnis werden sollte, als er seinen berühmten Hungerast erlitt und ca. 12 Minuten auf Marco Pantani einbüßte. Daneben gibt es noch den Col du Galibier (2645m), Col de la Croix de Fer (2067m), Col du Glandon (1924m) oder auch Col de Madelaine (1993m).

Ihr merkt selbst, diese Region bietet unzählige Höhenmeter und wunderschöne Strecken. Mir stellte sich in der Planung dieses Trips entsprechend die Frage, wo man am besten übernachtet.

Hotel für Rennradfahrer um L’Alpe d’Huez?

In L’Alpe d’Huez selbst oder in einem der Örtchen drumherum?

Le Bourg-d’Oisans

Le Bourg-d’Oisans

Auberge La Douce Montagne

Auberge La Douce Montagne

 

 

 

Kurz zur Orientierung: Am Fuße des Anstiegs nach Alpe d’Huez befindet sich der Ort „Le Bourg-d’Oisans“ auf 720 m Höhe – kennt sicherlich jeder von der Tour. Hier knallen sie in den Anstieg rein. In 2004 startete hier das bekannte Bergzeitfahren beim ewigen Duell Armstrong gegen Ulle, bei dem der Gewinner Lance Armstrong knapp 40 Minuten für die 15,5 km brauchte. Jan Ullrich lag am Ende auf Platz 2 mit einem Rückstand von einer Minute.

Zurück zur Hotelsuche.

In Le Bourg-d’Oisans gibt es zwar den besten Mechaniker im Umkreis, die Hotels sind aber nicht wirklich zu empfehlen. Obwohl die Gegend ohne Frage zum Nabel der Radsportwelt gehört, sind die Hotels nicht wirklich Radfahrer kompatibel, wie ich gehört hatte. Man hockt hier meistens in muffigen und veralteten Hotels, die nicht auf Rennradfahrer ausgelegt sind und schimpft über schlechtes Essen.

Braucht keiner.

Es musste also umdisponiert werden.

L’Alpe d’Huez keine Option – wenig Fokus auf Radfahrer

L’Alpe d’Huez

Skiort L’Alpe d’Huez

Eine Alternative war, ein Hotel oben in L’Alpe d’Huez zu buchen – wer es jedoch vermeiden möchte, nach jeder Tour die 21 Kehren nochmal hochzujuckeln, der sollte diesen Gedanken ganz schnell wieder begraben. Und das Auto unten am Anstieg abzustellen, ist ebenso nervig und geht auch irgendwie gegen die Ehre.

Was uns noch an der Idee, oben in L’Alpe d’Huez zu schlafen, störte, war, dass trotz all der Radsportgeschichte der Radtourismus keine ganz große Prio hatte – hier haben die Skifahrer Vorfahrt. Fühlt sich nicht ganz so dolle an. Hinzu kommt, dass man sich auf 1.850 m Höhe etwas eingepfercht vorkommt und es entsprechend kalt ist.

Also auch keine Option.

Nach etwas Recherche stieß ich auf die kleine Ortschaft Allemond: Keine 10 km von L’Alpe d’Huez entfernt, befindet sich dieses Örtchen mit noch nicht mal 1.000 Einwohnern am Fuße des Col de la Croix de Fer auf ca. 700 m Höhe.

In Allemond, hat übrigens nichts mit „Allemand“ zu tun, also der Deutsche, befindet sich etwas versteckt das Radfahrerlager Auberge La Douce Montagne – ein echter Geheimtipp.

Hotel-Geheimtipp: Auberge La Douce Montagne

Geleitet von einer sympathischen und jungen holländischen Familie (Maarten und Willemijn) wurde über die Jahre eine Auberge für Radsportler aufgebaut.

Und hier haben die Radsportler Prio.

Wer von seiner Tour zurückkommt, stellt sein Rad zu den anderen schicken Rädern, natürlich auf die Stange. Beim obligatorischen Espresso werden dann natürlich erst einmal die anderen Rennräder fachmännisch begutachtet, bevor es ans „All You Can Eat“ Pastabuffet geht.

Ich sage es mal der Vollständigkeit halber, abends wird in der Auberge der Fahrradschuppen abgeschlossen. Manch einer von euch wird sich wahrscheinlich jetzt denken, dass dies doch in Rennradhotels, wie z.B. auf Mallorca, selbstverständlich ist.

Da habt ihr Recht. Auf Mallorca.

Aber in den Französischen Alpen musst du für einen solchen Service etwas länger suchen.

Ein weiterer schöner Nebeneffekt der Fokussierung auf Radsportler, ist, neue Bekanntschaften zu schließen. Zum Abendessen wird man mit anderen Radsportverrückten an einen Tisch gesetzt und lernt so schnell Gleichgesinnte kennen.

Einfach cool.

Weitere Touren in der Region: Marmotte & Co.

Galibier

Teil der Marmotte: der Galibier

Eine sehr beliebte Tour in dieser Region um L’Alpe d’Huez ist der „Marmotte“ (5180 hm), den einige von euch sicherlich, als eins der anspruchsvollsten Jedermannrennen kennen.

Offizieller Start der „Marmotte“ ist wieder mal in Le Bourg-d’Oisans.

Nach dem Start fährt man ca. 20 km rauf zum Col de la Croix de Fer (wird oft fälschlicherweise als Glandon beschrieben), dann durchs Tal von Maurienne zum Col de Telegraphe (1570m) – dort angekommen, geht’s es durchs schöne Skiörtchen Valloire weitere 17 km hinauf zum Dach der Tour, zum Col du Galibier (2645m).

Und was soll ich sagen? Eine wunderschöne Landschaft und eine richtig tolle Auffahrt, die einem einiges abverlangt.

Oben angekommen, geht es runter bis nach Le Bourg-d’Oisans und dann rauf zum großen Finale: L’Alpe d’Huez (1859m).

Wer hier noch frische Beine hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Man zählt im Kopf die 21 Kehren mit und ist froh, wenn man nach der Ankunft bei einem Milchkaffee die anderen Leidensgesichter beobachten kann.

Autsch.

Die Abfahrt der „Marmotte“ erfolgt über die recht unbekannte ’schattige‘ Seite des L’Alpe d’Huez – direkt nach Allemond. Diese Abfahrt fahren übrigens viele einheimische Fahrer im Sommer hoch, da es auch bis zum Mittag recht kühl bleibt.

Ein weiterer Tipp.

Also, die eben erwähnte Auberge bietet eine super Ausgangslage, um verschiedenste Touren in Angriff zu nehmen. Man hat hier die Möglichkeit, ein Hotelzimmer oder Apartments zu buchen. Das Essen ist nicht unbedingt das Highlight, auch wenn es sehr nett zugeht – wir machten uns jedenfalls abends öfter auf den Weg zur Pizzeria oder anderen Restaurants in der Umgebung.

Abschließend meine zwei persönlichen Highlights für diese Region:

1) „Marmotte“ ist oberstes Pflichtprogramm
2) Erkundet mit dem Rad bitte La Bérarde – schöner geht’s kaum

Viel Spaß,
Euer Kai

Wow, danke Kai. Als mir Kai Miebach diesen Erfahrungsbericht samt traumhaften Fotos schickte, lief mich nicht nur die Sabber das Kinn runter, mir lag vor allem die eine oder andere Frage auf der Zunge.

Wie fühlt es sich dort an? Spürt man auf jedem Zentimeter Teer diese allgegenwärtige Radsporthistorie? Hat man die Bilder der schmerzverzerrten Gesichter der Profis vor Augen? Wie lange braucht man für die Auffahrt nach L’Alpe d’Huez als ambitionierter Jedermann?

Kai Miebach über die Radregion: L’Alpe d’Huez

Kai, wann warst du das letzte Mal in L’Alpe d’Huez?
Das letzte Mal war im September 2016 für 14 Tage.

Warst du auch schon zur Tour de France dort?
Nein, zur Tour de France hatte ich leider nie Zeit. Es muss ein tolles Erlebnis sein, die Atmosphäre am Anstieg nach L’Alpe d’Huez einzuatmen. Ich werde aber irgendwann mal sicherlich am Straßenrand mitfiebern.

Beim Anblick deiner Bilder spürt man diesen Mythos TDF. Ich hatte sofort die schmerzverzerrten Gesichter der Profis vor Augen, die sich die 21 Kehren hochquälen. Ist dieses Gefühl vor Ort noch stärker?
Die Gesichter der Profis habe ich zwar live nicht gesehen, dafür aber die zahlreichen Gesichter der unterschiedlichsten Fahrer an einem Samstagmittag.

Hier sieht man alle Kategorien, die der „Suffer-Score“ zu bieten hat. Interessanterweise quälten sich vor ca. 10 Jahren fast nur Männer jeglicher Gewichtsklasse den Berg hoch. Allmählich kommen aber auch viele Frauen dazu, die meist fitter als ihre männlichen Begleiter wirken.

In den letzten Jahren heulte dann aber auch zunehmend das ein oder andere Kind in einer der 21 Kehren, weil Papas Tagesausflug auf dem Rad dann doch nicht so cool war wie vorher versprochen (lacht). Ich habe aber auch schon oft am Anstieg gelitten – egal ob in Topform oder mit 10 Kilo Übergewicht.

Was war am schlimmsten beim Anstieg?
Am schlimmsten war den Anstieg nach L’ Alpe d’Huez in Angriff zu nehmen, nachdem ich schon den Col de la Croix de Fer, Col de Telegraf und den Col du Galibier in den Beinen hatte. Kurz vorm finalen Anstieg brach auch noch eine Speiche und das Hinterrad eierte die gesamten letzten 13 km. Man beißt die Zähne zusammen, alles brennt und man denkt nur noch an Pizza – das ist Radsport!

Was macht für dich den Mythos L’Alpe d’Huez aus?
Wenn ich an L’Alpe d’Huez denke, dann sehe ich Lance Armstrong, der nach hinten blickt, unseren Ulle anschaut, und seine Attacke fährt. Das war für mich damals ein sehr bitterer Moment. L’Alpe d’Huez ist immer ein Spektakel. Zum einen sind dort wahnsinnig viele Zuschauer, die eine geile Stimmung machen, zum anderen bedeutet L’Alpe d’Huez: Bergankunft.

Hier werden Siege gefeiert und Gesamtwertungen entschieden. Man bewältigt 1.080 Höhenmeter auf ca. 13 km mit einer durchschnittlichen Steigung von 7,9%. Das Besondere hierbei ist, dass es konstant bei fast gleichbleibender Steigung bergauf geht und wenige Faktoren die Zeit beeinflussen.

Erst auf den letzten 3 km könnte der Wind eine Rolle spielen. Dieser hat hier aber nicht annähernd den Einfluss, wie beispielsweise am Mont Ventoux.

Warst du mit Powermeter unterwegs?
Nein, ich hatte damals keine Wattmessung am Rennrad und konnte nur per Zeitmessung meine Leistungen vergleichen. L’Alpe d’Huez war dafür ideal. Es ist schon imposant, dass man ständig auf die noch zu fahrenden Kehren blickt, während man sich hoch quält. Man fährt und hofft, dass es flacher wird – hofft einfach, dass die nächste Kehre endlich kommt und es bald geschafft ist.

Wie fühlt es sich da „oben“ in dem Skiörtchen an?
Wenn man mit Kaffee ausgerüstet an der Ziellinie sitzt, kann man den Radsportzirkus gut auf sich wirken lassen. Hier kommt von morgens bis abends wirklich jede zwei Minuten ein Radfahrer an. Es wird viel Material zur Schau gestellt und viele Nationen fachsimpeln untereinander, ob z.B. die Zipp404s nicht doch für den Anstieg eher ungünstig sind.

Ich trinke hingegen ganz entspannt meinen Milchkaffee. Sobald mein Vater oben ankommt, dreht er gewöhnlich direkt wieder um und fährt heim – mit ihm war ich ja dort. Ich bleibe dagegen noch super gerne in der Sonne sitzen und beobachte einfach ganz relaxed das Gewusel. Weiter oben, im eigentlichen Ort, ist eher MTB-Tourismus.

Kommt dort bei den MTB-Fahrern ähnliche Stimmung auf?
Nein, finde ich nicht so. Viele Downhiller fahren mit der Gondel hoch zum Pic Blanc (3350 m) und ballern anschließend die Skipiste runter. Da ist viel Betrieb. Grundsätzlich, und das habe ich ja auch im Bericht erwähnt, konzentriert man sich hier auf den Skitourismus.

Gib’s zu, beim Hochfahren nach L’Alpe d’Huez hast du schon einen Blick auf die Uhr geworfen. Was war deine schnellste Auffahrt?
Um ehrlich zu sein, bin ich noch nie einen Berg hochgefahren, ohne auf die Uhr zu schauen. Mich packt da leider jedes Mal der Ehrgeiz. Da ich erst beim Münsterlandgiro 2015 begann, Jedermannrennen zu fahren, war der Anstieg zum L’Alpe d’Huez für viele Jahre mein persönliches Radsport-Highlight.

Anfangs lag die Zeit noch bei 1:05 Stunden, es pendelte sich irgendwann bei 55 Minuten ein. 2016 waren es schließlich 48 Minuten (4,7 W/kg).

Was traust du dir noch zu?
(lacht) Die 45-Minuten-Marke zu knacken, das wäre die nächste Challenge. Dafür müsste ich allerdings noch 3-4 kg verlieren.

In deinem Bericht hattest du ein paar der „epischen“ Rennen wie Marmotte erwähnt. Bist du eins dieser Rennen in Frankreich, ggf. auch Haute Route, L’Etape du Tour, schon mal gefahren? Würde es dich reizen?
Den Marmotte bin ich schon oft alleine gefahren, aber noch nicht im Rahmen des Events. Der Termin ist ja meist im Juni. Das ging bei mir terminlich bisher nicht. Das wäre aber ein Event, das ich sehr gerne mal fahren würde. Die Bergankunft in L’Alpe d’Huez ist schon etwas ganz Besonderes.

2016 bin ich aber den Granfondo Les Deux Alpes (172km) gefahren. Das Event zählt zur Grand Trophee Serie, die generell sehr interessant ist.

Kannst du den Granfondo Les Deux Alpes kurz beschreiben?
Die Strecke verlief zunächst über vier Anstiege, bevor es über die ersten 3 km nach L’Alpe d’Huez zur Bergankunft nach Les Deux Alpes führte. Es regnete an diesem Tag Nonstop, ich zitterte schon am Start.

Ich erinnere mich sehr gut, wie wir in den ersten Anstieg (Col D’Ornon) reinknallten und ich kläglich versuchte, mit den Top-10 mitzuhalten.

Was tritt man da vorne für Watt?
Nach ca. 2 km hatte ich mir die Wattwerte mal angeguckt – wir fuhren konstant ca. 400 Watt. Ich dachte mir nur, dass die Jungs total bekloppt sind. Ich ließ die Gruppe ziehen und kam dann alleine als 13. ins Ziel.

Diese Bergziegen waren schon eine Nummer zu krass für mich. Da kann ich nur den Hut vor ziehen. Aber am Ende wie immer: 172 km und 4000 Höhenmeter im Dauerregen, halb Mensch, halb erfroren – einfach geil!

(c) Fotos: Kai Miebach

Weiterführende Links:
– Ein Abend mit dem Team Strassacker (Link)
– Poweranalyse Kai Miebach bei Rund um Köln (Link)
– Übersicht der Veranstalter für Rennradreisen
– Club der verrückten vom Mont Ventoux (Link)
– Alle Infos zur Marmotte (Link)

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